Schwarzer Montag

Dienstag. … und da hängt sich dein Geist, wie manchmal dein PC, einfach auf.
Lässt sich in die Vergangenheit treiben, lungert zwischen alten Erinnerungen herum, obwohl sie ihm nicht gut tun, betrübt sich an falschen Entscheidungen, obwohl er eigentlich wissen müsste, dass genau diese Entscheidungen die einzig richtigen waren, wird melancholisch, wenn er bei den verpassten Chancen angekommen ist – die in Wirklichkeit nicht verpasst, sondern nur unrealistisch waren -, guckt Sehnsüchten hinterher und sieht vor lauter Hinterhergucken den Sonnenschein nicht und dass das jetzt fast schon so was wie eine Frühlingssonne ist.
So ein Tag ist gestern gewesen (naja, abzüglich der Sonne, die gabs gestern wirklich nicht, dafür heute umso mehr): Bleich, missmutig, übellaunig, depri eben, so einer von diesen Tagen, an denen du glatt auf die Idee kommen könntest, beim Flaschenentsorgen braune Flaschen einfach mal in den Grünglas-Container zu werfen.
Weil, das kann dich schon beruhigen. Für den Moment.
Ansonsten empfehle ich für solche schwarzen Montage: Aufräumen, putzen, Hacken zusammen! Die letzte Weihnachtsdeko wegpacken und durch duftende Hyazinthen und ein Primelchen ersetzen.

Nachdem meine Wohnung auf die Weise wieder hergestellt war, war ich gestern Abend mit Florian, meiner MfG, bei Meze essen. In der Nacht zuvor (Sonntag) hatte ich nämlich auf der Rückfahrt mein iPhone (Geschenk von PM) in seinem Bus liegen lassen. Bemerkte es erst, als ich zu Hause war und das gute Stück aufladen wollte. Übler Schrecken! Obwohl schon nach Mitternacht, rief ich Flo sofort an, leider lag der schon in den Federn, aber er war so freundlich nochmal aufzustehen und im Bus nachzuschauen, und siehe da, mein iPhone lag am Boden des Beifahrersitzes. Flo hatte auch schon einen Deal ersonnen: Gegen ein Abendessen würde er es mir am nächsten Tag wohl vorbeibringen.
Flo ist in Stetten am kalten Markt (nomen est omen) stationiert, von hier ca eine Dreiviertelstunde. Ich packte noch einen Asbach Uralt dazu, das Essen war gut und so kurzweilig, wie es die Fahrten mit ihm auch meistens sind. Gib Flo ein Stichwort, und es kann losgehen. Seine Frau, seine Exfrau, andere Mädels, seine beiden Kinder und deren Mütter, sein versoffener Vater, seine fresssüchtige Mutter, sein 86-jähriger, immer noch autofahrender Opa, seine Märchenoma, Nachbarinnen, auf die er mal scharf war, Mädels, die er geliebt hat und solche, die er sich bloß organisiert hat („Mann, lass mich doch auch mal nur mit dem Schwanz denken!“), sein Afghanistan-Einsatz, seine Bundeswehrgeschichten.
Da kann man schon mal vom Glauben abfallen. Etwa, als er das Foto der BW-Frauenbeauftragten herzeigt.
Fällt dir was auf?, fragt er.
Ich: Sie ist ziemlich geschminkt.
Er: Sonst nichts??
Ich: Sieht etwas streng aus.
Er: Jaaa?
Ich: Nicht hässlich.
Er: Waaaas?
Ich: Na ja …
Er: Die war mal n‘ Kerl! Hat sich umoperieren lassen. Die Bundeswehr zahlt das. Haben schon einige da gemacht. Die ist jetzt A 14 oder 15 …
Ich: Und vertritt die Interessen der Frauen – ist vielleicht gar nicht so schlecht, für Benachteiligung ist sie bestimmt sensibilisiert …
Er: Quatsch! (Packt sein Smartphone weg, versenkt die Gabel im Maronenpürree.) Du, ich erlebe hier gerade Geschmacksexplosionen. Das ist ja geiler als (vorsichtiger Blick in meine Richtung) Sex?

Top, die Wette gilt

Montag. Wette mit PM:
Er: Heute Abend versammeln sich mindestens 20.000 Leute in Dresden.
Ich tippe auf 5000.
PM meint, die Anschläge in Paris bieten sich als zusätzliche Argumente für Pegida geradezu an und würden der Bewegung neue Schubkraft geben.
Meiner Ansicht nach nimmt der Pariser Trauermarsch am Sonntag Pegida eher den Wind aus den Segeln. Was kann man solchen Bildern denn noch entgegensetzen? Der Marsch der Franzosen war sozusagen ultimativ.
Die deutschen Intellektuellen sind, mit wenigen Ausnahmen (Monika Maron, Peter Schneider), nicht Pegida nah, sondern sie unterstützen Charlie Hebdo/Je suis Charlie.
Meine Prognose: Von Pegida redet in zwei bis drei Monaten niemand mehr …

Paris trauert – Die Opfer von Charlie Hebdo

Da sind sie, die Staatshäupter Europas, etwa vierzig an der Zahl, und trauern mit dem französischen Volk in Paris um die vier erschossenen Karikaturisten von Charlie Hebdo.

Je suis Charlie!, steht allüberall auf Plakaten, Plaketten oder Stirnbändern.

Die Franzosen verteidigen das Recht der freien Meinungsäußerung. Religionskritik war und ist ein herausragendes Thema von Charlie Hebdo, und so wird es auch bleiben. Die gute Nachricht: Die verbleibenden Karikaturisten/ Zeichner werden weitermachen. Sie haben Asyl angeboten bekommen, Neue werden nachrücken.

Die Moderation im Fernsehen (Paris trauert, ARD) macht die Schriftstellerin Gila Lustiger. Soeben hat sie die Namen der vier jüdischen Männer verlesen, die – nur einen Tag nach dem Attentat auf Charlie Hebdo – bei einem weiteren Überfall auf einen jüdischen Supermarkt von islamistischen Terroristen hingerichtet wurden. Insgesamt sind es nämlich 17 Opfer, die erschossenen Geiseln und Polizist*innen und weitere Redaktionsmitglieder von Charlie Hebdo dazugerechnet.

Angie Merkel redet gestikulierend auf Francois Hollande ein, Israels Premierminister Benjamin Netanyahu steht in der gleichen Reihe wie Palästinenser“präsident“ Abbas, dahinter, etwas versteckt, Carla Bruni; sie trägt eine seltsame Kinnbinde, hatte sie wieder eine ihrer legendären Schönheits-OPs und zeigt sich trotzdem in der Öffentlichkeit? Respekt!

Auch die Muslime Frankreichs sind dabei. Im Rollstuhl irgendein Obermufti (den Namen habe ich noch nie gehört), seine Anwesenheit wird Zeichen setzen. Ebenfalls Respekt!

Ein Trauermarsch, ein Solidaritätsmarsch, der auf dem Place de la Republic kaum vorwärts kommt, weil sämtliche Straßen verstopft von Menschen sind.

Frau Lustiger fordert eine noch dezidiertere Desolidarisierung der französischen Muslime von den islamistischen Terroristen. Eine seriöse Diskussion der islamischen Oberhäupter. Eine Antwort darauf, wie es möglich ist, ein derartiges Missverständnis des Islam aus dem Koran herauszudeuten. Nicht zuletzt fordert sie eine Antwort darauf, wieso in den Moscheen ungehindert Hass gepredigt werden darf.

Die neue Ausgabe von Charlie Hebdo wird eine Millionenauflage erleben. Ironie des Schicksals. Die Macher kündigen an, noch radikaler, noch böser zu werden. Der Bleistift ist das Symbol dieses Solidaritätsmarsches: Die Freiheit des Stiftes, der Gedanken, der Presse, der Religion.

Eine Millionen Menschen hat beschlossen aufzustehen für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, um der Opfer zu gedenken.

Endpunkt des Marsches ist der Place de la Nation. Überall, in allen Straßen solidarisieren die Menschen sich mit Gesängen, Parolen, internationalen Fahnen. Muslime fallen Juden um den Hals, Juden Muslimen. Dazu gibt es den Beifall der Menge. Israelische Banner flattern neben der marokkanischen, türkischen, libanesischen. Eine Gruppe ist aus Bangladesch.

Hunderttausende sind auch in Straßburg, Marseille, Bordeaux auf die Straße gegangen.

Frankreich zeigt sich auf den Großdemonstrationen nicht als gespaltene Nation. Alles sind Charlie.

Auch in Berlin gibt es einen Marsch.

Routenplanänderung durch Alzey

Sonntag, B.N. Mit G. von Tübingen aus zu PM gefahren.
Sturm, Regen. Abartig viel Verkehr, mehrere Unfälle auf der A 61, Umleitungen und geänderte Routen durch rheinland-pfälzische Dörfer und Dorfstraßen, einmal befinden wir uns plötzlich mitten im Hof eines Weingutes – was soll das, brandneuer Medion-Navi von Aldi!
Totaler Verkehrskollaps dann in Alzey. Das Städtchen mit seinen schmalen Gassen ist ein Opfer der elektronischen Routenplanung: Auf der einen Seite drängt die nicht abreißende Schlange – hauptsächlich LKWs – rein, auf der anderen, zwischen Bauernhäusern, Trinkbrunnen und Kneipenschildern, quillt sie gleich einem unendlichen Gekotze wieder raus.
Wir sind zum Glück ziemlich am Anfang der Schlange. G. lenkt gegen die Sturmböen an und hat wg. Nebel und Regen kaum Sicht. PM hält uns die Fahrt über mit lustigen und tröstenden SMSsen bei Laune.
Die Staumeldungen auf der A 61 und in Alzey halten sich bis 23 Uhr. Da sind wir, mit eineinhalbstündiger Verspätung, schon längst bei PM, aber jedenfalls zu spät fürs Konzert. Karten umsonst gekauft, PM nicht sauer, sondern besorgt.
In seiner Küche hat er für uns eine Art Buffet aufgebaut: Schinken, Fischsalate, Käse, Eier, Brot und Brötchen, Sekt natürlich, G. und ich haben Hunger und langen zu, G. und PM gleich im DDR-Modus, Erinnerungen, Gemeinsames, auch Trennendes, PM sagt, G. könne bei ihm übernachten, und ich sehe, dass sie einen Moment zögert.
Nachts um halb 1 ihre SMS, dass sie in Oberhausen angekommen ist.

Im Kino St. Vincent gesehen. Schöner Film mit Bill Murray.

PM’s Haus liegt an der Ahr. Die steht gerade ziemlich hoch und hat dieser Tage direkt Wellengang. Nachts scheint der Mond durch die Pappelzweige und glitzert auf dem schwarzen Wasser. Nicht unheimlich. Sondern dunkel und still.

PM spricht von Denk-Fabriken. Er hat einen Verein gegründet, gegen das Vergessen. Ich liebe solche Projekte, sie weisen nach vorn.

Nach Hause

Freitag. Die ganze Woche ist Gisela da.

Eine neue Freundin, durch Zufall in mein Leben geflogen.

Für sie eine Art Ferien vom Alltag in Oberhausen, wo sie lebt. 1989 ist sie in den Westen gekommen, privat enttäuscht und beruflich nicht angekommen, jetzt trotz Mehrfachqualifikation arbeitslos, Hartz IV. (Vielleicht eine Verliererin des Mauerfalls.)

Wir laufen durch Tübingen, durchstöbern Geschäfte, trinken im Café Binder Irish Coffee.

Als ich heute Abend von der Arbeit komme, hat sie den Weihnachtsbaum abgeschmückt und auf die Straße verfrachtet, die ganze Wohnung gesaugt, und dazu riecht es unglaublich gut nach Essen (Gemüsepfanne, Champignonsoße und Putenschnitzel). Zum Nachtisch essen wir Pralinen, die G. noch unter dem Weihnachtsbaum gefunden hat. (Geschenk von L.)

So ist nach Hause kommen.

Mit Steve sitzen wir bis weit nach Mitternacht zusammen bei Weißwein, Wulle und Ouzo.

 

Die europäische Linke und der Islamismus

Donnerstag. Charlie Hebdo und das linke Appeasement

europäische Linke hat die islamistische Gefahr viel zu lange banalisiert.

„Viel zu oft hat die europäische Linke aus Gründen der Political Correctness weggesehen.“

Das Attentat gegen Charlie Hebdo kam mit Ansage. Islamistische Gewalt oder ihre Androhung ist spätestens seit der Fatwa gegen Salman Rushdie Teil der politischen und kulturellen Landschaft Europas. Diesmal hat sie mit Charlie Hebdo eine Ikone der libertären Gesellschaften Europas getroffen: Wie kein anderes Medium war „Charlie“ ein Kind des Mai 68.

Die Frage ist, ob die europäische Linke aus diesem Angriff endlich Konsequenzen zieht. Denn die bittere Wahrheit ist, dass die europäische Linke viel zu lange die islamistische Gefahr banalisiert hat. Gefangen in einem werterelativierenden Multikulturalismus hat sie passiv zugesehen, wie an den Rändern der Zuwanderungsgesellschaften Westeuropas ein Klima des antiwestlichen Hasses heranwuchs. Wenn dieser Hass schließlich tätig wurde, hat sie sich meistens weggeduckt. Viel zu oft hat die europäische Linke aus Gründen der Political Correctness weggesehen: Als islamische Fanatiker im Zuge des Karikaturenstreits Menschen töteten und bedrohten, hat sie Verständnis für die verletzten Gefühle der Täter gezeigt, nicht für die der Opfer. Erst nach einem Aufschrei der Öffentlichkeit ging die Labour-Regierung in Großbritannien gegen die Fanatiker vor, die mit ihren „Kill all Enemies of Islam“-Plakaten durch britische Städte zogen. Weggesehen wurde auch, als in britischen Islamschulen die Amputation von Gliedern zum Unterrichtsthema wurde. Wenn, wie in Rotherham, organisierte sexuelle Gewalt aus migrantischen Milieus gegen Minderjährige ausging, wurde die Strafverfolgung behindert. Als die französische Assemblée Nationale für das Verbot der Burka stimmte, enthielt sich die PS-Fraktion der Stimme. Weder Salman Rushdie noch Kurt Westgaard haben von der europäischen Linken viel Unterstützung erfahren. Im Gegenteil: Immer wieder hat die Linke eingestimmt in den Chor derjenigen, die jede Kritik an der kulturellen und politischen Praxis des Islam als „menschenfeindliche“ Islamphobie und Xenophobie tabuisierten. Säkulare und assimilationsorientierte Einwanderer wurden in ihrem Kampf gegen religiöse Identitätspolitiken weitgehend allein gelassen.

Auf eine perverse Art artikuliert sich hier ein paternalistischer Gutmenschenrassismus.

Die Dynamik und Pathologie der ideologischen und politischen Entwicklungen in der islamischen Welt hat die Linke nie ernsthaft interessiert. Religiöser Fanatismus, Gewaltkultur, Radikalisierung und Anti-Okkzidentialismus in migrantischen Milieus wurden immer nur als Reaktion auf angebliche Ausgrenzungserfahrungen behandelt. Auf eine perverse Art artikuliert sich hier ein paternalistischer Gutmenschenrassismus, der auch 50 Jahre nach der Entkolonialisierung den muslimischen Anderen nicht als Subjekt seiner Geschichte begreifen kann, sondern nur als reagierendes Objekt westlichen Handelns. Der Islamismus ist aber nicht in Seine-Saint Denis oder Neukölln entstanden, sondern in Riad, Kairo und Islamabad. Er ist ein ideologisches Kind der Modernisierungskonflikte der islamischen Welt selbst.

Diese Denkverweigerung artikulierte sich in den letzten Wochen auch in der Reaktion auf die Pegida-Bewegung. Natürlich ist diese Bewegung in vielen Aspekten suspekt. Aber in ihr artikuliert sich eben auch die Angst vor Ereignissen wie am 7. Januar in Paris oder am 7. Juli 2005 in der Londoner U-Bahn. Der Alt-68er Peter Schneider spricht in einem Artikel zu Pegida davon, dass die Menschen Angst hätten „dass die zivilen Gesellschaften Europas ihre eigenen Regeln nicht mehr verteidigen.“ Warum die Sorge vor Attentaten und der Wunsch nach der Bewahrung einer freiheitlichen und säkularen Gesellschaft eine „Schande für Deutschland“ sein soll, bleibt das Geheimnis des Justizministers und des deutschen Feuilletons. Wer die Faschisten sind, sollte spätestens seit dem 7. Januar klar sein. Man hätte es aber auch schon früher wissen können.

Der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff hatte völlig Recht, als er erklärte, dass „der Islam zu Deutschland gehört“. Man mag das gut oder schlecht finden, es ist einfach so, weil in diesem Land (und auf diesem Kontinent) eine signifikante Gruppe von Menschen lebt, die dieser Religion angehören und sich ihrem Weltbild verpflichtet fühlen. Diese Normalität des Islam in Europa bedeutet aber auch, dass die europäische Linke sich mit ihm wie mit jeder anderen Ideologie auseinanderzusetzen hat.

Gegner eines linken Menschenbildes

Sie hat zu prüfen, wo und wie ihre Werte und Ziele mit den Normen und der kulturellen und gesellschaftlichen Praxis dieser Religion übereinstimmen, aber auch, wo sie diesen widersprechen. Dort, wo diese Ideologie im Widerspruch zu zentralen Zielen eines linken Menschenbildes steht, wo sie elementaren Freiheits- und Gleichheitsnormen widerspricht, ist sie ein politischer Gegner, wie jede andere derartige Denkschule auch. Oliver Schmolke, einer der klügsten Köpfe der deutschen Sozialdemokratie, schreibt in seinen Buch „Über die Freiheit“: „Die Menschen, die kamen, brachten die nationalen Identitätskämpfe ihrer Heimatländer mit, und sie als Gleiche anzuerkennen, muss auch heißen, ihre Ideologien mit gleichem Maß zu beurteilen. Nationalistische und religiös fundamentalistische Einwanderer sind Rechtsextreme, die wie ihre europäischen Verwandten einer Ideologie der Ungleichheit anhängen. Das hätten Linke immer wissen und sagen müssen.“

Dort, wo diese Ideologie im Widerspruch zu zentralen Zielen eines linken Menschenbildes steht, ist sie ein politischer Gegner.

Das haben sie aber oft genug nicht getan. Die Tradition der Ideologie- und Religionskritik, die seit den Tagen der Aufklärung ein wesentliches Element der normativen und praktischen Emanzipations- und Freiheitsambition der europäischen Linken war, wurde durch das Schlagwort der Xenophobie mundtot gemacht. Stattdessen hat die Linke tatenlos zugesehen, wie sich eine radikal freiheits-, gleichheits- und frauenfeindliche Ideologie in Europa breit gemacht hat. Zur wachsenden Gewaltbereitschaft dieser Bewegung hat sie – jenseits von Warnungen vor „Verallgemeinerungen“ – fast nichts zu sagen gehabt. Diese Realitätsverweigerung droht sich nun bitter zu rächen. Der Kampf gegen religiösen Totalitarismus und Obskurantismus hat im 19. Jahrhundert dazu beigetragen, die Linke in Europa groß zu machen. Ihre Feigheit, diesen Kampf unter geänderten Umständen wieder aufzunehmen, droht sie nun klein zu machen: politisch und moralisch.

Von: Ernst Hillebrand
Veröffentlicht am 08.01.2015

Punks regierten Reykjavik

Mittwoch. In Reykjavik regierten vier Jahre lang Punks. Ein Experiment, das eine neue politische Kultur hervorgebracht haben soll. Vieles ist möglich …

http://www.tagesanzeiger.ch/ausland/europa/Mehr-Punk-weniger-Hoelle-/story/25977893

Pegida, Bergida, Kögida …

Dienstag, B.N. …  Als ich im Bonner Stadtteil Godesberg zum ersten Mal komplett verschleierte Frauen sehe, die von ihren Männern wie Kohlensäcke am Arm durch die Straßen geschoben werden, weil ihnen nicht mal der Sehschlitz in der Burka zugestanden wird, bekomme ich einen Todesschrecken. Wenn das Fremde mit Gewalt einhergeht – und Komplettverschleierung ist Gewalt gegen Frauen – musst du schon genauer hinsehen.
Die Diskussion über die diffuse Angst vor dem „Fremden“, das ja zum Glück meistens auf recht unkomplizierte Weise längst in unserer gesellschaftlichen Mitte Fuß gefasst hat, wird m.E. in Deutschland zu oberflächlich geführt.
In der öffentlichen Diskussion wird die Angst gerne umgelenkt (wohl aus bekannten historischen Gründen) in eine eher leichtfertige Vorstellung vom Islam als Freiheitsbewegung gegen autoritäre Regime oder als folkloristisches Phänomen, das es, wie andere Minderheiten auch, zu schützen gelte.
Durch solche Marginalisierung werden Angstgefühle aber nicht beantwortet.
Vielleicht sollten wir uns zunächst fragen, was eigentlich unsere westliche Identität ausmacht und was wir daran für schützenswert halten. Erst, wenn ich meinen eigenen Standort kenne, kann ich mich von der Furcht vor Fremdem frei machen.
Meinungsfreiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit/Gewaltenteilung, Menschenrechte, Gleichberechtigung von Mann und Frau, keine Benachteiligung wg. sexueller, religiöser oder politischer Zugehörigkeit, Pressefreiheit, Chancengleichheit – das sind Werte, die mir spontan dazu einfallen, sie prägen meine persönliche und unsere gesellschaftliche Wirklichkeit.
Die allein entscheidende Frage ist, ob der Islam mit diesen Werten kompatibel ist. Eine Frage, die letztlich nur unsere muslimischen Mitbürger*innen selbst, bzw. deren Interessenvertreter / islamischen Verbände beantworten können. Bisher fallen die Antworten, soweit ich das beurteilen kann, nicht eindeutig aus. Das ist es, was mich persönlich beunruhigt.
Und wenn in Dresden 18.000 Mann „gegen Fremde“ auf die Straße gehen, beunruhigt mich das noch mehr …