Samstag. Schlaflos in T., finde ich ein unglaubliches Video im weltweiten Netz: Searching for sugar man.
Ein tot geglaubter Sänger, dessen Titel im Amerika der Siebzigerjahre gefloppt haben, aber, ohne dass er selbst davon weiß, in Südafrika zu höchstem Ruhm gelangt sind, weshalb jedes Kind dort bis heute seine Lieder mitsingen kann, lebt in Detroit als Entrümpler.
Es handelt sich um Sixto Rodriguez, never heard. Ein hartnäckiger südafrikanischer Journalist, selbst leidenschaftlicher Rodriguez-Fan, nimmt in den Neunzigern seine Spur auf, in Südafrika kursieren mehrere Mythen um seinen Tod, er habe sich auf offener Bühne erschossen, angezündet und dergleichen, und dann, ich kürze das jetzt mal ab, stellt sich heraus, dass dieser Typ keineswegs tot ist. Vielmehr haust er in einer heruntergekommenen Hütte in Detroit, malocht Tag für Tag in seinem harten Job, spielt ein bisschen Gitarre, hat drei erwachsene Töchter, die er im Geiste der Kunst und der Philosophie erzogen hat, und ist einfach nur relaxed. Er schaut nicht nach hinten. Nach vorne auch nicht besonders. Ein über seine Tochter vermittelter Anruf bei dem völlig aus dem Häuschen geratenden Journalisten nachts um eins bringt Klarheit: Rodriguez lebt! Das ist seine Stimme, auf Platte unzählige Male gehört, und jetzt am Telefon, live.
Die Geschichte hat ihren Höhepunkt, als der Journalist und seine Entourage den Ausnahmemusiker tatsächlich nach Südafrika holen. Weißer Teppich, weiße Limousine, weiße Hotelsuite, immer noch glaubt der nichts von seinem jahrzehntelangen Hype auf diesem fremden Kontinent, sein Ruhm ist an ihm vorbeigegangen, auch finanziell, irgendwelche Plattenfirmen haben sich an ihm bereichert und seine Tantieme nie an ihn ausgezahlt, obwohl seine Platten sich in Afrika in Millionenhöhe verkauft haben.
Die noch poetischere, etwas jüngere Version von Bob Dylan, textmäßig gesehen und vielleicht sogar in musikalischer Hinsicht, da möchte ich mir kein Urteil erlauben, sein Blues geht ans Herz, die Tränen laufen einfach, bei der Videorezipientin wie bei den Tausenden Konzertbesuchern, die ihren totgesagten und wiederauferstandenen Musiker feiern wie einen Messias.
Und dann kehrt der Megastar nach Hause zurück. Gibt noch fünf weitere Konzerte, schenkt das Geld seinen Töchtern und Freunden, nimmt die alte Arbeit wieder auf, läuft mit krummem Rücken durch die verschneiten Straßen und schließt, jedenfalls für das Video, mit einem letzten Winken die Tür seiner Hütte hinter sich.
„Ich strebe nach meinem eigenen Glück“, heißt es in einem seiner Lieder. Er ist ein Mann, der sein Leben damit verbracht hat, anständig zu leben. Der bei sich geblieben ist. Ein Mensch, der dich den Glauben an die Menschheit nicht verlieren lässt. Einen wie ihn kannst du lange suchen …