Hau-Drauf-Heiligtümer

Warum wird ausgerechnet Israel kritisiert? Warum verliert der senile Biden „mit Netanjahu langsam die Geduld“? Weil alle in dasselbe antisemitische Horn stoßen?

Im Ramadan soll die Nahostregion brennen – so wünscht es sich die Hamas:

Hamas-Sprecher Abu Obaida hat am Freitag in einer Video-Botschaft die Palästinenser dazu aufgerufen, im Fastenmonat zur Al-Aksa-Moschee auf dem Jerusalemer Tempelberg zu marschieren. „Möge der gesegnete Monat Ramadan (…) sich zur maximalen Flutwelle auf den Straßen und Fronten innerhalb und außerhalb Palästinas auswachsen“, sagt er.

Den Überfall auf Israel am 7. Oktober, der den Gaza-Krieg ausgelöst hat, nennt die Hamas „Al-Aksa-Flutwelle“. (dpa/afp/ng)

Welches Wort verstehen Biden & Co nicht? Die Botschaft ist eindeutig: Krieg den Israelis, Auslöschen des israelischen Staats. Am besten medial wirkungsvoll: auf dem Tempelberg – unter dessen prunkvollem Golddach sich der jüdische Tempel Salomos verbirgt. Seine Westmauer ist die heutige Klagemauer – kleiner Rest der 3000 Jahre alten Tempelanlage, der den Juden von ihrem wichtigsten Heiligtum geblieben ist.

Zerstampft, was drübergebaut und Protzdeckel drauf: So gehen Kulturen seit Jahrtausenden miteinander um. Sieg heißt auch Sieg über die Heiligtümer. Jüngstes Beispiel: Der Palast der Republik, der einem Stadtschloss im Imitat-Barock weichen musste: Angeblich wegen Asbest.

Koffer

Sonntag. Überall Koffer. Sie stehen in langen Reihen, der ganze Bahnsteig ist voll davon. Viele sehen aus wie mein Koffer. Wie mein verlorener Koffer. Rot mit schwarzem Griff und schwarzen Ecken. Ich dachte, es sei ein außergewöhnlicher Koffer. Hier werde ich eines Besseren belehrt, alle Welt scheint genau meinen Koffer zu besitzen. Bei genauerem Hinsehen ist es aber nie mein Koffer, denn an meinem Koffer habe ich ein Bändchen befestigt, und das hat keiner. Jedesmal, wenn ich nach meinem vermeintlichen Koffer greife, sehe ich, dass es doch ein anderer ist. Ich bitte PM um Mithilfe, auch er soll Ausschau halten. Wir betreten einen anderen Bahnsteig, wieder diese Reihe von Koffern, aber meiner ist nicht dabei. Manchmal kann man durch die offenen Zugtüren Stapel von Koffern erkennen, und auch da entdecke ich mein Koffermodell, aber nicht meinen Koffer. Mein Blick wandert nach oben, eine lange Stahlleiter hinauf, da steht, vor dem penatenblauen Himmel, ein silbernes Flugzeug auf einem Podest. Seltsam, dass man hier so direkt einsteigen kann, in einen Flieger, ohne Rollfeld, ohne Kontrolle. Die Tür des Fliegers steht einladend weit offen, auch hier sehe ich Koffer und wieder meinen Koffer, doch ich weiß inzwischen, dass er es nicht ist. Wir laufen weitere Bahnsteige entlang, es scheint aussichtslos, meinen Koffer zu finden, da sehe ich ihn plötzlich stehen, ganz allein an einer Metallsäule: Mein Koffer mit dem Bändchen. Hier ist er, ich habe ihn gefunden, sage ich zu PM. Wir wundern uns beide sehr, sind wir hier nicht ständig vorbeigelaufen? Als ich aufwache und mit laienhaftem Halbwissen dem Traum auf die Spur zu kommen versuche, meine ich beinahe im selben Moment, sie schon gefunden zu haben.
Was soll ich denn noch lange suchen? Es ist ja alles da.

Bücher und Besuche

Samstag. Schönen Nachmittag mit Rolo verbracht. Er kam mit einem Arm voller Bücher, jedes ein Juwel.
So viele Kontakte, wie ich hier in einer Woche habe, habe ich in Tü nicht in einem Monat. Ich genieße das gesellige Leben, lasse mich treiben, arbeite dafür nachts bis in den frühen Morgen hinein.

Buchempfehlung: Die Einsamkeit der Ersten ihrer Art

Mittwoch. So kann Kindheit in Deutschland sein. So ist Kindheit in Deutschland wahrscheinlich ziemlich oft. Amtsdeutsch: Prekariat. Literarisch: Armut, Mülldeponien, gewalttätige Väter, kranke Mütter. Nach Liebe suchende Jugendliche, früh desillusioniert, und dennoch wollen sich ihre Träume behaupten, romantisch und süß, Rosenblätter statt Bierpulle. Die Einsamkeit der Ersten ihrer Art von Matthias Gruber bringt es auf den Punkt.
Das Happy End bleibt aus.

Mein kleiner Bruder und Professor Mojib Latif

Sonntag, Kiel. Ich öffne das Fenster einen Spalt breit und höre Möwen schreien und Spatzen zwitschern.
Ich bin in Kiel bei meinem Bruder. Mein kleiner Bruder und meine große Schwester. Geblieben ist mir mein kleiner Bruder.
Wir reden viel miteinander. Wir sind sehr unterschiedlich. Manchmal hapert es noch mit der Akzeptanz, doch wir lernen beständig dazu.
Weil wir uns wichtig sind.
Ich bewundere das perfekte Haus. Die perfekte Sauna mit LED-Lämpchen und -Strahlern an allen möglichen und unmöglichen Stellen. Ich bewundere die goldene Designerlampe und den Riemenboden aus Eiche. Den Fernseher mit dem perfekten Sound, geboostert von einem perfekten Lautsprecher.
Ich fühle mich nicht klein. Ich denke an unser Häuschen in Eisenach mit all seinen Unperfektheiten. Es gibt für alles Gründe. Für Perfektheit und für Unperfektheit.
Ich danke meinem kleinen Bruder für seine Fürsorge. Als ich am Donnerstag ankomme, holt er mich ab und hat ein Abendbrot für mich vorbereitet. Am nächsten Morgen hat er Bio-Brötchen geholt und wir frühstücken. Ich habe einen Interviewtermin in Hamburg mit Professor Mojib Latif und mir ist schlecht. Um Punkt neun Uhr, direkt nach dem Frühstück, wird mir schlecht.
Mein kleiner Bruder fährt mich zum Bahnhof. Ich habe mein Handy vergessen, außerdem krümme ich mich vor Schmerzen. Ohne zu murren, wendet er.
Ist besser so, denke ich. Der nächste Zug reicht auch noch. Vielleicht gehen die Bauchschmerzen gleich vorbei, und das Handy brauche ich.
Entspann dich mal, sagt mein kleiner Bruder, als wir eine halbe Stunde später wieder in seinem Auto sitzen. Er sieht mich von der Seite an: Dir kann doch nichts passieren. Du bist perfekt vorbereitet (ja, auch ich habe meine perfekten Seiten), und jetzt hast du auch alles dabei.
Ich habe eine Tablette eingenommen. Der Zug entfällt, und der nächste Regio nach HH stoppt einfach mal in Neumünster. Alle Passagiere müssen raus, Reparatur am Zug! Als ich endlich in HH bin und schließlich die Akademie der Wissenschaften erreiche, bin ich tatsächlich immer noch superpünktlich.
Der Meteorologe und Ozeanologe Latif, auch Klimapapst genannt, ist ein leiser, sehr freundlicher Mann mit einem unvorstellbaren Wissen. Ich sage zu ihm, nach dem Studium seiner Bücher zu urteilen, sei er außerdem ein Mathematiker, Physiker, Chemiker, Soziologe, Psychologe, Wirtschaftswissenschaftler, Philosoph …
Ja, das Thema lasse sich nicht monokausal betrachten, antwortet er bescheiden.
Professor Latif ist nicht nur bescheiden und höflich und allwissend. Er ist das, was in meinen Augen ein anständiger Mensch ist.
Ich ziehe ein Ticket und steige in den Zug zurück nach Kiel. Kaum habe ich in dem Gedränge einen Platz gefunden, muss ich ihn auch schon wieder verlassen. Mir ist so übel, dass mir nichts anderes übrig bleibt. Für den Rest der Fahrt schließe ich mich in der verdreckten Zugtoilette ein und übergebe mich gefühlt fünfzig Mal. Dauernd klopft einer und fragt, ob mit mir alles in Ordnung sei.
Nein. Kann ich so nicht sagen. In Kiel steige ich aus und renne direkt ins nächste Bahnhofsrestaurant. In die Toilette.
Mein kleiner Bruder holt mich ab. Er sieht mich unglücklich an. Vor seiner Haustür gehe ich in die Knie, ich kann nicht mehr stehen.
Geh sofort in die Klinik, sagt PM am Telefon. Mein kleiner Bruder fährt mich in die Notaufnahme der Uniklinik. Ich muss mich dauernd übergeben und kann nur noch auf dem Boden hocken. Ich komme an den Tropf. Mein kleiner Bruder fährt nach Hause, wo er, wie er mir später erzählt, die ganze Nacht in Hab-Acht-Stellung halbwach liegt und, von üblen Träumen begleitet, auf meinen Anruf wartet, um mich wieder abzuholen.
Daraus wird nichts. Nach acht Stunden im Untersuchungszimmer, es ist fünf Uhr morgens und die Möwen erwachen demnächst,  komme ich auf die Station. Mittlerweile weiß ich, dass ich eine Gallenkolik hatte. So ein hässliches Wort. Ich fasse es nicht. Und danke dem lieben Gott, dass er mir ein Zeitfenster exakt für die Dauer des Interviews mit Professor Latif eingeräumt hat.

Auf der Station passiert nicht mehr viel. Die Visite entlässt mich mit der o.g. Diagnose, aber ich kann noch nicht gehen. Der Arztbrief fehlt noch, so lange bleibe ich, dramatisch verkabelt, im Bett unter der flachen Krankenhausdecke liegen. Da geht die Tür auf und mein kleiner Bruder kommt herein. Die nächsten drei Stunden wartet er gemeinsam mit mir, bis der Arztbrief geschrieben, die Infusionsnadel gezogen und mein Beutel gepackt ist.
Am Abend gehen wir einkaufen, essen zusammen eine Kleinigkeit, reden. Er zeigt mir seine Sauna. Mein kleiner Bruder freut sich aufrichtig an schönen Dingen. Das mag ich, das kenne ich. Er erzählt von A., seiner Frau, die gerade bei der Tochter zu Besuch ist und nächste Woche zur anderen Tochter fährt.
Mein kleiner Bruder hat alles geschafft, was er jemals schaffen wollte. Das kann ich von mir nicht behaupten. In seiner Biografie fehlen die Brüche, Einbrüche, die meinen Weg markieren. Er ist viel zielgerichteter als ich. Er hat ein Motto: Wenn der Flieger überbelegt ist, bin ich es, der einen Platz bekommt.
Wir können nur bedingt voneinander lernen. Ich glaube, er und ich, wir mögen uns genauso, wie wir sind. Mein kleiner Bruder wird immer mein kleiner Bruder bleiben, aber er ist ein ganz Großer. Er ist, was in meinen Augen ein anständiger Mensch ist.

„Taurus für die Ukraine – Zusammen bis zum Sieg“

… wenn allerdings Navalnys Tod jetzt als Argument für Flak-Zimmermann herhalten muss, Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine zu liefern, dann ist das einfach nur geschmacklos.
Einen logischen Zusammenhang gibt es nicht, Hauptsache WAFFENNNNNN! Mehr hat die Dame nicht im Hirn. Die Oberkriegstreiberin der Nation zeigt sich heute auf Twitter beim Posen mit einer ukrainischen Abgeordneten in superpeinlichem, gelb-blauen T-Shirt: Auf ihrer Kriegerbrust ein Taurusbulle. Ein Sprüchlein darf natürlich auch nicht fehlen, wie das bei Sprüche-Shirts so üblich ist: „Taurus für die Ukraine – Zusammen bis zum Sieg“
Genau mein Humor. Für den Rücken schlage ich vor: „Wollt ihr den totalen Krieg?“

 

Nawalny ist tot …

… kaltschnäuzig vor den Augen der ganzen Welt ermordet. Diese Hemmungslosigkeit ist wirklich erschreckend: Es scheint egal zu sein, ob die Öffentlichkeit es weiß oder nicht. Wahrscheinlich soll sie es sogar wissen, so in dem Sinne: Seht her, so geht es allen politischen Gegnern, die es mit uns aufnehmen wollen
Warum ist Nawalny Anfang 2021
freiwillig nach Russland zurückgekehrt? Nachdem er nur knapp einen Giftgasanschlag überlebt hatte, weshalb er zur ärztlichen Notversorgung nach Deutschland ausgeflogen worden war? Hielt er sich für unantastbar? Die Erfahrung des Anschlags mit dem Nervengift Nowitschok schließt diese Vermutung eher aus. Oder wollte er ein Zeichen setzen?

Das Zeichen ist in der Welt angekommen.

 

Happy

Freitag, Tübingen. Ein Geburtstag, wie er mir gefällt: mit lieben Menschen. PM lernt meine Schreibgruppe kennen. Meine Schreibgruppe überrascht mich mit süßen Ideen und süßen Geschenken. PMs Strauß so groß, dass ich keine Vase finde. PM schenkt mir Regale für mein Arbeitszimmer in Eisenach und baut sie für mich ein. Damit hat er letzte Woche schon angefangen, zum Glück ist er in handwerklichen Dingen supergeschickt. Mein lieber T. kommt vorbei, und morgen kommen Lieblingskolleg*innen vom alten „Amt“. Glückwünsche auch vom neuen „Amt“ in E., über die ich mich genauso freue.
Zu viel Kuchen bestellt und zu viel eingekauft. Wie immer …

Lasst es bleiben!

Dienstag. Maischberger & Co, die Presse, unsere Spitzenpolitiker*innen – sie allesamt können es offenbar kaum abwarten, endlich Krieg zu machen.
„Den Krieg nach Russland tragen …“ ist das neueste verschwiemelte Narrativ von Oberkriegstreiber Roderich Kiesewetter! Yeah!, gegen die Russen! Was vor 80 Jahren nicht geklappt hat, soll jetzt endlich hinhauen?
Die Bitte der unwissenden, aber interessierten Bürgerin: Lasst es bleiben, Putin-Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen, nur um Stimmung zu machen, lasst es bleiben, euch an der Kriegshetze zu beteiligen, arbeitet journalistisch sauber, stellt die Sache dar und nicht eure Meinung. Ist Aufrüstung der neue Pazifismus? Ihr seid an vorderster Front, wenn es um Kriegsgeilheit geht. Warum? Habt ihr keine Kinder? Habt ihr keinen Lebenssinn?

Rüstungsunternehmen im Aufschwung

Dienstag. Rheinmetall -Chef Armin Papperger hat den Spatenstich für eine neue Munitionsfabrik in Unterlüß in Niedersachsen gesetzt – juhuu!
Rüstungsunternehmer sind wieder wer, ihre Zeit in der Schmuddelecke isch over. Den Spatenstich verfolgten live Boris Pistorius, Kanzler Olaf Scholz und die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen – mehr Ehre geht kaum.
Papperger, ganz der selbstlose, sich seiner Verantwortung bewusste Unternehmer, will zur „Verteidigungsfähigkeit unseres Landes und unserer NATO-Partner“ beitragen. Die Bundesregierung hat dem neuen Werk eine Abnahmegarantie ausgestellt, die Finanzierung steht!
Und schon flirtet Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, mit der Idee von einem europäischen Atomwaffenprogramm. Während die Grünen noch überlegen, wann sie auf den Zug aufspringen, träumt sich die Bundesregierung eine 300-Mrd-Investition für die Bundeswehr herbei … oder ist das schon das Delirium?

Abrüstung ist was für Lauchs. Es lebe die Aufrüstung!