Buch-Challenge

Donnerstag, B.N. Heinz Koch hat mich für die Buch-Challenge nominiert (danke, dass es kein Eiswasser war). Hier zehn von vielen anderen Büchern, die für mich wichtig waren oder es im Moment sind:

1. H. Christof Müller-Busch: Abschied braucht Zeit
2. A. u. M. Mitscherlich: Die Unfähigkeit zu trauern
3. Marion Brasch: Wunderlich fährt nach Norden
4. Stefan Schwarz: Die Großrussin
5. Daniel Kehlmann: Ruhm
6. Thomas Mann: Tonio Kröger
7. Rafael Yglesias: Dr. Nerudas Therapie gegen das Böse
8. Philippe Djian: Betty Blue
9. Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand
10. Phillip Roth: Der menschliche Makel

Beste Grüße an die zehn von mir nominierten AutorInnen

Grossrussin?

Montag, B.N. „Man ist ja nicht dazu geboren, in der zweiten Reihe zu stehen“, sagt gestern einer beim Winzerfest zu Dorothee und mir.

(Ich kann es nicht glauben, dass ich beim Winzerfest war!)

Heute morgen wg meinem Arm zum Orthopäden. Kortisonspritze in den Ellenbogen. Hoffe es nützt, ist schmerzhaft und bewegungseinschränkend u ich fürchte, es kommt vom Schreiben am PC.

Danach eine wunderbare Buchhandlung entdeckt: Bücherstube Schmitz. Interessante Auswahl bei den Neuerscheinungen, sehr kompetente Beratung. Drei Bücher gekauft:

Wunderlich fährt nach Norden von Marion Brasch, Fischer
Die Grossrussin von Stefan Schwarz, Rowohlt (Hm! Müsste ja eigentlich Großrussin heißen. Werde jetzt erstmal versuchen, das zu ignorieren …)
Tiger Rag von Nicholoas Christopher, dtv premium (für PM)

Schuld, Scham, Trauer

„Wo Schuld entstanden ist, erwarten wir Reue und das Bedürfnis der Wiedergutmachung. Wo Verlust erlitten wurde, ist Trauer, wo das Ideal verletzt, das Gesicht verloren wurde, ist Scham die natürliche Konsequenz.“ (S. 36)

Warum Schuld, Scham und Trauer nach dem Zusammenbruch des Hitlerregimes allerdings kollektiv ausfielen, untersuchten Alexander und Margarete Mitscherlich schon 1967 in ihrem gemeinsamen Werk Die Unfähigkeit zu trauern.

Diese Unfähigkeit, die einzig angebrachten – edelsten menschlichen – Gefühle zunächst mal zu empfinden und dann auch zu äußern, lässt sich zusammenfassen als Resultat einer intensiven inneren Abwehr. Die Hitlerbefürworter, die Judenmordbefürworter hätten nicht mehr in den Spiegel schauen können, nachdem ihr immerhin mehrere Jahre währendes Treiben durch die Siegermächte als Irrtum entlarvt worden war. Als ein kolossaler und monströser Irrtum, als Irrtum, der ihr Gewissen für Jahre außer Kraft gesetzt und durch infantile, aber schillernde Omnipotenzphantasien ersetzt hatte.

Nicht nur von diesen Omnipotenzphantasien hieß es für die Herrenrassegeneration, sich zu verabschieden, sondern sie musste ganz neu anfangen: Neue Moral- und Wertevorstellungen, ein neues Gewissen, eine neue Staatsform, neue soziale Bindungen, neue Menschen. Die berühmte Stunde Null. Es gab aber vor allem den alten Menschen, und um diesen Tatbestand überzeugend zu übertünchen, begann der alte und nazi-kontaminierte Mensch, all seine Kraft in das Erblühen der Wirtschaft und der Industrie zu investieren. Darüber konnte er vergessen, was er Furchtbares angerichtet hatte.

Bis heute lebt er sehr gut damit – falls er noch lebt. Weil er nicht nur vergessen hat, sondern beinahe sich selber glaubt, das alles habe gar nicht stattgefunden. Die Gräueltaten des NS-Staates, die eigenen Gräueltaten und seine blinde Gefolgschaft an einen Größenwahnsinnigen waren nur ein schlechter Traum. Entrealisierung heißt dieser Prozess, mit dem der Täter sich selbst eine große und unverdiente Gnade angedeihen lässt.

Übrigens lässt sich diese Theorie auf jeden Täter übertragen. Sie erklärt sehr einleuchtend den irritierenden Tatbestand, wie so mancher, der wirklich was auf dem Kerbholz hat, so unbefangen damit leben kann. Der Autofahrer, der besoffen einen anderen Menschen tot gefahren hat und den keine Sorge quält als möglichst schnell den Führerschein zurückzubekommen, die Eltern, die ihre Kinder mit ihrem eigenen unbefriedigten Ehrgeiz tyrannisieren, die Ehepartner, die sich betrügen und den Dolch im Herzen des anderen noch einmal rumdrehen, bevor sie ihn ziehen, sie alle können oft erstaunlich relaxed durch den Tag spazieren, als wäre nichts gewesen.

Es war aber was. Und dazu muss man kein Nazi gewesen sein.

Fazit: Ein Buch, das dir die Abgründe der Welt erklärt.

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Wie eng Politik und Psychoanalyse zusammenhängen, wird an der Schuldfrage deutlich.

„… Deshalb sind Wiederholung innerer Auseinandersetzungen und kritisches Durchdenken notwendig, um die instinktiv und unbewusst arbeitenden Kräfte des Selbstschutzes im Vergessen, Verleugnen, Projizieren und ähnlichen Abwehrmechanismen zu überwinden. … Denn nur der Kranke, dessen Leiden am Symptom größer ist als der Gewinn aus der Verdrängung, findet sich bereit, seine Bewusstseinszensur für die Wiederkehr des Verleugneten und Vergessenen schrittweise zu lockern.“ (S. 24)

Zellbiologie am Sonntag

Sonntag, B.N. Heute klaue ich meinen Blogeintrag mal von Facebook, mit Quellenangabe selbstverständlich!

C Juliane Vieregge hat Kristina Paßbergs Status geteilt.
vor etwa einer Stunde
Schon wieder was gelernt. Entropiezunahme – Danke!

#Zellbiologie am Sonntag:

Unser ICH ist kein Einzelwesen. Jeder Mensch ist ein funktioneller Verbund von 100 Billionen Zellen. Zellen besitzen einen eigenen Stoffwechsel, können kommunizieren, haben unterschiedliche Formen und Funktionen, können sich reproduzieren und sterben. Sie sind also die kleinste, uns bekannte Lebensform. Ergo, der Mensch ist eine Entität aus 100 Billionen Entitäten. Da jedoch alles, inklusive des Universums, die Tendenz hat zu entropieren (Entropiezunahme = die Tendenz unordentlich zu werden – sich auszudehnen) benötigt der Mensch verdammt viel Energie, um seine Zellen zusammenzuhalten. Zucker ist eine sehr angenehme Form der Energiezufuhr (wie ich finde) – merkt euch das, wenn ihr mal wieder etwas „zerstreut“ seid. Außerdem ist es auch überhaupt nicht egoistisch, wenn ihr die ganze Schokolade allein aufesst – ihr tut es fürs Gemeinwohl von 100 Billionen Zellen! In diesem Sinne, werde ich mich jetzt meiner ersten guten Tat an diesem Sonntag widmen …

Ganz anders

Freitag, B.N. Auch hier heißt die Hauptverkehrsstraße Wilhelmstraße. Auch hier heißen die Straßen eines Wohnviertels aus den Sechzigern Sudeten-, Danziger- oder Tilsiterstraße. Und die Weinbergstraße gibts in Tübingen auch, sodass sich für einen Augenblick die Bilder verwirren.

Auch hier reden die Leute Dialekt. Den verstehst du ohne Anpassungsphase, obwohl du im ersten Moment glaubst, die machen nur Spaß.

Es gibt nur einen Buchladen, nur ein Antiquariat und kein einziges ernstzunehmendes Schuhgeschäft. Dafür an jeder Ecke ein Lokal. Hier wird rheinländisch gekocht, und dazu werden Weine aus der Region gereicht.

Den meisten scheint es sehr gut zu gehen. Sie leben vom Wein und von Touristen. Von beidem gibt es reichlich.

Die Leute hier gehen sehr mit, wenn sie sich etwas erzählen. Das ist ihre Art, Empathie zu bekunden. Sie reißen die Augen auf, schlagen die Hand vor den Mund oder legen sie dir auf den Arm, um ihr Zuhören außerdem mit Einwürfen wie Boah! Nee ey! Ährlich? Da sachse watt! zu unterstreichen, was dann wiederum mit einer energischen, seitlichen Kopfbewegung unterstrichen wird.

Ich hab mir dieses Mitgehen weitgehend abgewöhnt. Im Ruhrpott sind wir ja auch so ultra empathisch. Die Schwaben aber erstarrten jedesmal, als hätte ich meine Tabletten vergessen einzunehmen. Deshalb bin ich mit der Zeit ganz unemotional geworden, ziemlich schnell sogar, ich bin schließlich assimilisierungsfähig. Keine aufgerissenen Augen mehr, keine vor den Mund geschlagene Hand. Kaum Mimik. Natürlich auch kein Boah! und so. Nur ein sachtes Nicken. Auch schon mal eine hochgeschobene Augenbraue. Ein zustimmendes Lächeln mit geschlossenen Lippen. Alles schön sparsam, auch in den Gefühlen.

Bliebe ich noch zwei Wochen länger, würde ich glatt wieder damit anfangen. Echt jetzt! Auch wenn es mir im Moment noch etwas theatralisch vorkommt. Ich merke bereits erste Anzeichen. Heute zum Beispiel rief ich Pah! aus, als eine Verkäuferin lustige Bemerkungen über einen hautengen Lurexfummel machte. Erschrocken schielte ich zu ihr rüber und war ganz erleichtert: Die Tante hatte den Kopp in den Nacken geworfen und war ebenfalls am Lachen. Mit geschlossenen Augen und offenem Mund! Noch dazu über ihren eigenen Witz.

Es ist wohl so, dass das mit den Straßennamen nichts zu bedeuten hat. Alles ist ganz anders.

Und deshalb heißt die zweite Hauptstraße hier auch Schützenstraße.

Heimat II – oder Das Einzige

Donnerstag, B.N. Die einzige Botschaft, die meine Mutter mir auf den Lebensweg mitgegeben hat, ist, dass das Leben an sich nichts taugt. Ihr eigenes Leben hat sie als Zumutung empfunden. Das Leben der Anderen auch; stellvertretend sozusagen, für die Anderen.

Das Einzige, was meine Geschwister und mich in Sachen Lebensführung verbindet, ist ein sensationeller Aktionismus. Wir lassen nur wenig aus, wir nutzen jede Sekunde. Wir haben Energie zum Abwinken. Wir sind sehr gründlich, jeder auf seinem Gebiet. Wir sind ultimativ kreativ. Wir kriegen den Kopf aus jeder Schlinge. Wir lassen uns nichts vormachen (die Jahrzehnte lange Rhetorik-Schulung einer vom Leben Enttäuschten). Wir sind der personifizierte Protest. Das Destruktive ist unser Feind. Das Konstruktive unsere Parole. Wir sind gerüstet. Wir haben vor kaum etwas Angst – jedenfalls nicht so, dass wir’s bleiben lassen. Wir rennen rein und machen, was gemacht werden muss. Wir schaffen viel. Manches geht auch gewaltig daneben. Aber wir fangen wieder von vorne an.

Als müssten wir uns immer noch beweisen, dass das Leben schön ist.

Ist es ja auch. Und manchmal sogar, ohne sich anzustrengen.

„Alle Kriegsherren haben einen gemeinsamen Feind: Die Wahrheit.“ (Kurt Tucholsky)

Krieg gegen Russland: Ehemalige Geheimdienstler warnen Merkel vor falschen „Beweisen“

Ehemalige Mitarbeiter von US-Geheimdiensten haben einen offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel geschrieben, in dem sie vor einem Krieg mit Russland warnen. Die von den USA vorgelegten Beweise für eine russische Invasion der Ukraine seien höchst zweifelhaft und erinnerten an die falschen Beweise im Vorfeld des Angriffs auf den Irak.

Die ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter warnen Merkel vor Nato-Generalsekretär Rasmussen. Denn als dänischer Premier hat er auch 2003 im Vorfeld des Irak-Kriegs massiv gelogen. (Foto: dpa)

Alarmiert durch die anti-russische Stimmung, die das offizielle Washington in diesen Tagen prägt – und das Gespenst eines neuen Kalten Krieges – haben ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter am 30. August den ungewöhnlichen Schritt unternommen. Sie haben eine Mitteilung an die Bundeskanzlerin Angela Merkel geschickt. Darin ziehen sie die Verlässlichkeit von Behauptungen der ukrainischen und der amerikanischen Regierung über eine russische „Invasion“ in Zweifel. Die OSZE hat erst am Montag festgestellt, dass sie über keine Hinweise einer Truppenpräsenz der Russen in der Ukraine verfüge.

Die investigative US-Website Consortiumnews.com veröffentlichte den Originaltext. Die Seite wird vom amerikanischen Investigativ-Journalisten Robert Parry betrieben. Er hatte für die Nachrichtenagentur Associated Press unter anderem die Iran-Kontra-Affäre behandelt. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten dokumentieren den Text im Wortlaut (Übersetzung DWN).

DENKSCHRIFT FÜR: Angela Merkel, Bundeskanzlerin von Deutschland

VON: Veteran Intelligence Professionals for Sanity (VIPS)

THEMA: Ukraine und Nato

Wir, die Unterzeichner, sind ehemalige langjährige Mitarbeiter von US-Geheimdiensten. Wir unternehmen den ungewöhnlichen Schritt, diesen offenen Brief an Sie zu schreiben, um sicherzustellen, dass Sie die Gelegenheit haben, sich vor dem Nato-Gipfel am 4. bis 5. September über unsere Ansichten zu informieren.

Sie müssen zum Beispiel wissen, dass Anschuldigungen einer größeren russischen „Invasion“ der Ukraine anscheinend nicht von verlässlichen Geheimdienstinformationen gestützt werden. Stattdessen scheinen die „Geheimdienstinformationen“ von derselben zweifelhaften, politisch „festgesetzten“ Art zu ein, die vor zwölf Jahren genutzt wurde, um den US-geführten Angriff auf den Irak zu „rechtfertigen“.

Wir haben damals keine glaubwürdigen Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak gesehen; wir sehen jetzt keine glaubwürdigen Beweise für eine russische Invasion. Vor zwölf Jahren weigerte sich der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem die Fadenscheinigkeit der Beweise über irakische Massenvernichtungswaffen bewusst war, sich an dem Angriff auf den Irak zu beteiligen. Unserer Ansicht nach sollten Sie angemessen misstrauisch sein gegenüber den Anschuldigungen des US-Außenministeriums und von Nato-Beamten, die eine russische Invasion der Ukraine behaupten.

Am 29. August bemühte sich Präsident Barack Obama, die Rhethorik seiner eigenen hochrangigen Diplomaten und der Medien abzukühlen, als er die jüngsten Aktivitäten in der Ukraine öffentlich beschrieb als „eine Fortsetzung dessen, was nun bereits seit Monaten geschieht … es ist nicht wirklich eine Veränderung“.

Doch Obama hat nur schwache Kontrolle über die Entscheider in seiner Regierung – die leider nicht viel Geschichtsverständnis haben, die wenig über den Krieg wissen und die das Verfolgen einer Strategie mit anti-russischen Beleidigungen ersetzen. Vor einem Jahr brachten militaristische Beamte des US-Außenministeriums und ihre Freunde in den Medien Präsident Obama beinahe dazu, einen größeren Angriff auf Syrien zu starten, der sich einmal mehr auf „Geheimdienstinformationen“ stützte, die im besten Falle zweifelhaft waren.

Hauptsächlich wegen der wachsenden Bedeutung von und des offensichtlichen Vertrauens auf Geheimdienstinformationen, die wir für fadenscheinig halten, denken wir, die Wahrscheinlichkeit, dass die bewaffneten Auseinandersetzungen über die Grenzen der Ukraine hinaus eskalieren, ist in den letzten Tagen deutlich gewachsen. Was noch wichtiger ist: Wir glauben, dass diese Wahrscheinlichkeit vermieden werden kann. Dies hängt davon ab, wie viel Urteilsfähigkeit Sie und andere europäische Führer zum Nato-Gipfel in der kommenden Woche mitbringen.

Erfahrungen mit der Unwahrheit

Hoffentlich haben Ihre Berater Sie an die Erfahrungen mit der Glaubwürdigkeit von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erinnert. Es scheint uns, dass Rasmussens Reden noch immer von Washington geschrieben werden. Das war mehr als deutlich an dem Tag vor der US-geführten Invasion des Irak. Damals sagte er als dänischer Premier seinem Parlament: „Irak hat Massenvernichtungswaffen. Das ist nicht nur etwas, das wir nur glauben. Wir wissen es.“

Fotos können so viel wert sein wie tausend Worte; sie können aber auch irreführen. Wir haben beträchtliche Erfahrungen im Sammeln, Analysieren und Berichten über alle Sorten von Satelliten- und andern Bildern sowie über andere Sorten von Geheimdienstinformationen. Es reicht wohl zu sagen, dass die von der Nato am 28. August veröffentlichten Bilder eine sehr dünne Basis liefern, um Russland die Invasion der Ukraine vorzuwerfen. Leider zeigen sie eine starke Ähnlichkeit mit den Bildern, die Colin Powell den Vereinten Nationen am 5. Februar 2003 zeigte, die ebenfalls nichts beweisen konnten.

An demselben Tag warnten wir Präsident Bush, dass unsere früheren Kollegen Analysten „zunehmend verzweifelt über die Politisierung von Geheimdienstinformationen“ waren, und sagten ihm ganz offen, dass „Powells Präsentation [dem Ziel] nicht einmal nahe kommt“, einen Krieg zu rechtfertigen. Wir drängten Präsident Bush, „die Diskussion zu erweitern … über den Kreis jener Berater hinaus, die klar zu einem Krieg entschlossen waren, für den wir keinen überzeugenden Grund sahen und von dem wir glaubten, dass die unbeabsichtigten Folgen wahrscheinlich katastrophal sein werden“.

Schauen Sie sich den Irak heute an. Schlimmer als katastrophal.

Obwohl Präsident Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt bisher beachtliche Zurückhaltung gezeigt hat, müssen wir uns daran erinnern, dass auch Russland die Schock-Methode beherrscht. Wenn es die geringste Chance dafür gibt, dass wegen der Ukraine so etwas irgendwann auf Europa zukommt, dann müssen nüchterne Führer dies unserer Ansicht nach sehr vorsichtig durchdenken.

Wenn die Fotos, welche die Nato und die USA veröffentlicht haben den besten verfügbaren „Beweis“ einer Invasion durch Russland darstellen, dann wächst unser Verdacht, dass große Anstrengungen unternommen werden, um die Argumente dafür zu stärken, dass der Nato-Gipfel Handlungen zustimmt, die Russland mit Sicherheit als eine Provokation betrachten wird. Caveat emptor ist ein Ausdruck, mit dem Sie sicherlich vertraut sind. Es genügt wohl zu ergänzen, dass man sehr vorsichtig sein sollte im Hinblick darauf, was Rasmussen oder sogar US-Außenminister John Kerry durchsetzen wollen.

Wir vertrauen darauf, dass Ihre Berater Sie seit Anfang 2014 über die Krise in der Ukraine auf dem Laufenden gehalten haben und darüber, dass die Möglichkeit, dass die Ukraine ein Nato-Mitglied wird, dem Kreml ein Dorn im Auge ist. Laut einer (von WikiLeaks veröffentlichten) Mitteilung vom 1. Februar 2008 von der US-Botschaft in Moskau an Außenministerin Condoleeza Rice wurde US-Botschafter William Burns von Außenminister Sergej Lawrow einbestellt, der Russlands starken Widerspruch gegen eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine erklärte.

Lawrow warnte eindringlich vor „Ängsten, dass das Thema das Land möglicherweise in zwei Teile spalten könnte, was zu Gewalt oder, wie einige sagen, sogar zu einem Bürgerkrieg führen könnte, der Russland dazu zwingen würde zu entscheiden, ob es eingreifen soll“. Burns gab dieser Mitteilung den ungewöhnlichen Titel „NJET HEISST NJET: RUSSLANDS ROTE LINIEN FÜR EINE NATO-ERWEITERUNG“ und schickte sie mit der Priorität DRINGEND nach Washington. Zwei Monate später auf ihrem Gipfel in Budapest verabschiedeten die Nato-Führer eine formale Erklärung: „Georgien und die Ukraine werden in der Nato sein.“

Am 29. August nutzte der ukrainische Premier Arsenij Jazenjuk seine Facebook-Seite, um zu behaupten, dass mit der Zustimmung des Parlaments, die er beantragt hatte, der Weg zur Nato-Mitgliedschaft offen ist. Jazenjuk war natürlich Washingtons Favorit, als er nach dem Staatsstreich in Kiew am 22. Februar Premierminister wurde.

„Jaz ist der Mann“, sagte die stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland einige Wochen vor dem Staatsstreich in einem abgefangenen Telefongespräch mit dem US-Botschafter in der Ukraine Geoffrea Pyatt. Sie erinnern sich vielleicht daran, das ist dasselbe Gespräch, in dem Nuland sagte: „Fuck the EU.“

Das Timing der russischen „Invasion“

Die gängige Darstellung, die Kiew vor nur wenigen Wochen unterstützte, war, dass ukrainische Truppen bei den Kämpfen gegen die föderalistischen Gegner des Staatsstreichs im Südosten der Ukraine die Oberhand gewonnen hätten. Die Kämpfe wurden überwiegend als eine Aufwisch-Operation dargestellt. Aber das Bild der Offensive kam fast ausschließlich von offiziellen Regierungskreisen in Kiew. Es gab wenige Berichte, die von vor Ort im Südosten der Ukraine kamen. Es gab jedoch einen Bericht, der den ukrainischen Präsident Petro Poroschenko zitiert und durch den die Verlässlichkeit der Darstellung der Regierung in Zweifel gezogen wurde.

Laut dem „Pressedienst des Präsidenten der Ukraine“ vom 18. August forderte Poroschenko eine „Neugruppierung der ukrainischen Militäreinheiten, die an der Operation im Osten des Landes beteiligt sind. … Wir benötigen heute die Neuordnung der Truppen, die unser Territorium verteidigen und die Armee-Offensive fortsetzen werden“, so Poroschenko, der hinzufügt: „Wir müssen unter den neuen Umständen eine neue Militäroperation prüfen.“

Wenn „neue Umstände“ heißt, dass die ukrainischen Regierungstruppen erfolgreich vorankommen, warum sollte es notwendig sein, die Truppen „neu zu gruppieren“, „neu zu ordnen“? Zu etwa diesem Zeitpunkt begannen Quellen vor Ort über eine Reihe von erfolgreichen Angriffen der föderalistischen Gegner des Staatsstreichs gegen die Regierungstruppen zu berichten. Laut diesen Quellen war es die Regierungsarmee, die begann, schwere Verluste zu verzeichnen und Boden zu verlieren, vor allem wegen Unvermögens und einer schwachen Führung.

Zehn Tage später, als sie eingekreist wurden und/oder sich zurückzogen, fand man dafür eine vorgefertigte Ausrede in der „russischen Invasion“. Genau zu diesem Zeitpunkt wurden die verschwommenen Fotos von der Nato veröffentlicht und Reporter wie Michael Gordon von der New York Times wurden losgelassen, um zu verbreiten, „die Russen kommen“. (Michael Gordon war einer der ungeheuerlichsten Propagandisten für den Irak-Krieg.)

Keine Invasion – Aber reichlich andere russische Unterstützung

Die föderalistischen Gegner des Staatsstreichs in der südöstlichen Ukraine haben beachtliche Unterstützung vor Ort, zum Teil als Folge der Artillerie-Angriffe durch Regierungstruppen auf größere Wohnzentren. Und wir glauben, dass russische Unterstützung wahrscheinlich über die Grenze eingedrungen ist und maßgeblich hervorragende Geheimdienstinformationen vom Schlachtfeld beinhaltet. Doch es ist zu diesem Zeitpunkt alles andere als klar, dass diese Unterstützung Panzer und Artillerie umfasst – vor allem weil die Föderalisten besser geführt worden sind und überraschend erfolgreich darin waren, die Regierungstruppen zu binden.

Zugleich haben wir wenig Zweifel daran, dass wenn die Föderalisten sie brauchen, russische Panzer kommen werden.

Genau aus diesem Grund erfordert die Situation eine gemeinsame Anstrengung für einen Waffenstillstand, was, wie Sie wissen, Kiew bisher verzögert hat. Was sollte zu diesem Zeitpunkt geschehen? Unserer Ansicht nach muss man Poroschenko und Jazenjuk offen sagen, dass eine Nato-Mitgliedschaft nicht infrage kommt – und dass die Nato nicht vorhat, einen Stellvertreterkrieg gegen Russland zu führen – und vor allem nicht, um die Pöbel-Armee der Ukraine zu unterstützen. Anderen Nato-Mitgliedstaaten muss man dasselbe sagen.

Für den Lenkungsausschuss, Veteran Intelligence Professionals for Sanity

William Binney, ehemaliger Technischer Direktor, World Geopolitical & Military Analysis, NSA; Mitgründer, SIGINT Automation Research Center (i.R.)

David MacMichael, National Intelligence Council (i.R.)

Ray McGovern, ehemaliger US Army infantry/intelligence officer & CIA analyst (i.R.)

Elizabeth Murray, Deputy National Intelligence Officer for Middle East (i.R .)

Todd E. Pierce, MAJ, US Army Judge Advocate (i.R.)

Coleen Rowley, Division Counsel & Special Agent, FBI (i.R.)

Ann Wright, Col., US Army (i.R.); Foreign Service Officer (zurückgetreten)

aus: Deutsche Wirtschafts Nachrichten | Veröffentlicht: 02.09.14, 15:21 | 59 Kommentare

Putins Äpfel

Große Beunruhigung wg Ukraine-Krise.

Gestern Nacht kam eine Doku über den Tag, an dem der 2. Weltkrieg anfing. Es war ein sonniger Spätsommertag, die Leute badeten und gingen shoppen und tanzen und hatten Spaß am Leben und gar keine Lust auf Krieg.

Warum muss die Nato jetzt den starken Mann markieren? „Aktionspläne“ und „Speerspitzen“, „zusätzliche Soldaten“ und „Logistikstützpunkte“ gegen den „Aggressor“ statt Abrüstung, auch verbaler Art. Männer bei ihrer Lieblingsbeschäftigung, könnte man meinen. Wenigstens ein bisschen Kalter Krieg, den hatten wir schon so lange nicht mehr. Dafür wird Propaganda gemacht, mit Drohungen und Geprotze. Und die Medien spielen mit.

Dabei ist das genauso kontraproduktiv wie die Sanktionen gegen Putin und höchstens zur Provokation geeignet. Oder was soll dieser Unsinn: Äpfel essen gegen Putin? Soweit Landwirtschaftsminister Schmidts persönlicher Aktionsplan, für den er auf Plakaten wirbt, als Zeichen gegen das russische Import-Embargo. Oho, oho!, diese schwere Symbolik: ÄPFEL!, Frucht der Erkenntnis, Mann, darauf muss man erst mal kommen! Wie blöd ist der eigentlich? Für wie blöd hält der uns eigentlich? Ab sofort keine deutschen Äpfel mehr in die Obstschale!

Kochen und Arbeiten

Dienstag, B.N. Gestern Abend las PM mir das Märchen Tischlein, deck dich vor. Wir waren durch ein Zitat darauf gekommen. Märchen kannst du immer wieder hören, auch wenn du den Plot schon in- und auswendig kennst. Du setzt dich hin, weißt genau, was jetzt passiert und freust dich drauf. Du könntest das auch analysieren, wie der Text das anstellt, und das ist sogar ziemlich offensichtlich, wie er es anstellt, aber hast du dazu wirklich Lust?

Während er las, hab ich gekocht: Reis, Thymiantomaten und Hähnchenschlegel, für PM Bratkartoffeln mit Zwiebeln und Bohnengemüse. Nach dem Essen ist er auf dem Sofa eingeschlafen – sein erster Arbeitstag nach dem Urlaub, dazu die Untersuchung, war wohl ein bisschen viel.

Bis nachts um zwei an dem Interview mit C.M.-B. gefeilt. Seine Statements sind oft sehr fragmentarisch, vielleicht aus dem Gefühl heraus, in seinen Büchern schon alles gesagt zu haben. Ich muss einiges rekonstruieren, trotzdem bleiben Fragen offen.

Von C.B. kam ein Anruf, er sei mit dem Text d’accord, habe aber noch ein paar Korrekturvorschläge. Außerdem gebe es hier und da noch Missverständnisse. Okay, C.B. spricht in drei Sprachen, er wechselt, ohne es zu merken, von einer in die andere, und Französisch ist nicht gerade meine Muttersprache. Ich denke, wir telefonieren heute Abend noch mal, um das zu klären.

Echte Alternativen

Es ist doch immer wieder ein Wunder, welche Möglichkeiten sich im Leben manchmal auftun und sich als echte Alternative entwickeln und dann auch vieles Bisherige infrage stellen …

Panta Rhei sozusagen, alles verändert sich. In jeder Veränderung entsteht ein Neues (frei nach Platon bzw. Heraklit).