Fucking teure Doppelmoral

“Es ist schockierend zu sehen, dass sich viele EU-Länder von russischem Gas via Pipelines unabhängig gemacht haben, nur um es dann durch kostspieliges Flüssiggas / LNG per Tankschiff zu ersetzen” – und das kommt wiederum aus Russland!
So der Global-Witness Experte Jonathan Noronah-Gant in Financial Times.
Nicht minder schockierend, dass auch das Öl, welches auf dem teuren Umweg über Indien und die Türkei nach Deutschland gelangt, russisches Öl ist. Öl direkt aus Russland zu beziehen, verbieten die EU-Sanktionen. Indien ist der lachende Dritte: Es importiert das russische Rohöl und raffiniert es für den europäischen Markt. Seit 2023 hat Indien Russland als größten Diesel-Lieferanten abgelöst. Russland hält also allen Sanktionen zum Trotz seinen Ölabsatz hoch, und Deutschland bekommt seinen wichtigsten Kraftstoff – Hauptsache nicht aus Russland! 
Können wir uns solche teure Symbolpolitik leisten?
Denn dass der Preis dafür verdammt hoch ist, spüren inzwischen alle. Dass Russland weiterhin profitiert,  indem der Rohstoffmarkt munter die Sanktionen unterwandert, hat sich ebenfalls herumgesprochen.
Was die unwissende Bürgerin jedoch wesentlich mehr beunruhigt, ist die Tatsache, dass Deutschland seine Energieabhängigkeit in neue, zum Teil zweifelhafte Weltregionen verlagert. Wer am Wertesystem der Ampelregierung, speziell der Grünen, verzweifelt (und dies auch äußert), ist lange Zeit in die rechte Ecke geframt worden – warum auch immer. Denn mit rechts und links hat das ja eigentlich nichts zu tun. 
Jetzt sind es die Linken, die – Gott sei’s gedankt – endlich die wesentliche Frage stellen:
Wieso entlarven sich ausgerechnet grüne Politiker*innen als wertebefreite Totalausfälle auf der Politweltbühne?
Eine Außenministerin, die auszog, um die Kontinente mit ihrer “werbebasierten”, “feministischen” Außenpolitik Mores zu lehren, stellt die Werte einer bis dahin auf Frieden orientierten Gesellschaft ohne Scham und Reue auf den Kopf. Ein Wirtschaftsminister, der 2022 vor dem Vertreter des radikal antidemokratischen, staatsreligiösen, patriarchalischen Sharia-Staates Katar einen beispiellosen Bückling vollführte, setzt Baerbocks hohle Phrasen in Tat um und führt die grüne Moral-Attitüde ad Absurdum.
Sind unsere Minister*innen ferngesteuert? Blind und taub?
Katar beherbergt, wie inzwischen jeder weiß, das Politbüro der Hamas-Führung. Das kleine Emirat finanziert laufend die Verwaltung der Terroristen im Gaza-Streifen. Offiziell werden die in die Milliarden gehenden Zahlungen für Gehälter von Angestellten im öffentlichen Sektor sowie für das Gesundheitswesen bereitgestellt. Eine Unterstützung militärischer Strukturen der Hamas streitet Katar rundweg ab. Wie es auch bestreitet, die islamistische Muslimbruderschaft zu finanzieren, aus der die Hamas hervorgegangen ist.
Während die Chiefs der Terrororganisation in Katars Luxushotels residieren, leidet die Bevölkerung im Gaza-Streifen unter den Konsequenzen des Hamas-Angriffs auf Israel. Allein die Familie des obersten Hamas-Führers Ismail Haniyeh soll mehr als 2,5 Milliarden Dollar besitzen.
Im vergangenen Jahr haben sich nun – dank Habecks Bückling – Katar und Deutschland auf die Lieferung von zwei Millionen Tonnen Flüssigerdgas für mindestens 15 Jahre geeinigt. Damit soll offiziell – s.o. – die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verringert werden.
Der Linke-Abgeordnete Jan Korte scheint einer der wenigen zu sein, die dabei bleiben, dass zwei und zwei vier ist:
“Ein Land, welches die führenden Köpfe der Hamas-Terrororganisation finanziere und beherberge, kann in keiner Hinsicht wirtschaftlicher Partner sein”, meint er. Und weiter: „Ohne den Schutz und die Unterstützung Katars hätte die Hamas das schlimmste Massaker an Juden seit dem Holocaust nicht verüben können. Es ist mir deshalb ein Rätsel, wie gerade ein grüner Wirtschaftsminister und eine grüne Außenministerin so wertebefreit sein können, dass sie hier keine klare Trennlinie ziehen.“

Stellt sich nicht nur der unwissenden Bürgerin die Frage: Spielt denn Katar in einer besseren Menschenrechtsliga als Russland? Und wiegen die symbolpolitischen Zeichen diese irren Mehrkosten auf?
Oder anders gefragt: Wie hoch ist unsere Schmerzgrenze?

Die Unfähigkeit mitzuleiden

Montag, Eisenach. Dass Greta Thunberg die Hamas verbal unterstützt, ist schlimm genug. Dass sie die Hamas-Gräuel vom 7. Oktober mit keinem Wort erwähnt, dafür aber rechtsextreme Verschwörungsmythen kolportiert und das Wording von BDI-Frau Naomi Klein von palästinensischen “Märtyrern” nachschwätzt, ist einfach nur erschreckend. Denn Thunberg hat Einfluss. Jetzt rätseln alle möglichen Interpreten über alle möglichen Ursachen für ihr so radikales wie unhistorisches Weltbild. W. vermutet dahinter ihre Autismusdiagnose, sie mache Thunberg unfähig zu Mitleid mit den jüdischen Opfern des Überfalls (des Holocausts?).

Da fällt mir ein: Die Unfähigkeit zu Trauern, dieses philosophische Weltklassewerk des Ehepaares  Alexander und Margarete Mitscherlich, habe ich bei PM in Ahrweiler über die Jahre in Wochenend-Abschnitten gelesen, markiert und kommentiert. Allein die Kommentare an den Seitenrändern hätten eine kleine Seminararbeit abgegeben. Das Buch ist, wie alles andere in PMs Haus auch, der Flut vom 14./15. Juli 2021 zum Opfer gefallen. Solche Sachen fallen uns manchmal ein, und dann gibt es uns einen Stich ins Herz und der ist auch schnell wieder vorbei, weil der Verlust unwiderruflich ist. (So wie meine Eltern von ihrem Kuscheltier, ihrem Lieblingsbuch – das farbig illustrierte Dschungelbuch -, ihrer Sandkiste gesprochen haben, und als Kind hast du kapiert, dass diese Dinge nur noch in ihren Erinnerungen existieren und hast ihre Trauer und Fassungslosigkeit über die verlorene Welt gespürt …)

Ich persönlich mochte Greta Thunberg immer wegen ihrer Ernsthaftigkeit und Unbestechlichkeit. Schade, dass sie jetzt so falsch abbiegt.

Tempo und Esprit

Sonntag, Tübingen. Für ein paar Tage in der alten Heimat und nur schönste Dinge auf der Agenda.
Donnerstag: Besuch im “Amt” – oh, wie köstlich, morgens einzulaufen wie schon hunderttausend Mal zuvor und mit dem Laden nichts mehr am Hut zu haben. Nur Wiedersehensfreude, Sich-Feiern-Lassen, tolle Gespräche (miss you!). Und wie ich an meinem alten Platz sitze, werde ich von manchen so nebenbei begrüßt, als merkten sie gar nicht, dass ich nur auf Besuch bin.
Beim Treffen mit MR merke ich aber, wie schmerzlich ich das schnelle Ping-Pong zwischen uns vermisse, wo ein Satz den anderen gibt und wir uns gegenseitig hochschaukeln, dass die Funken sprühen.
Am Abend empfange ich die Erwachsenen-Schreibwerkstatt bei mir zu Hause (offizieller Grund für meine regelmäßigen Fahrten nach Tübingen). Und wieder so bereichernde, wundervolle Stunden voller Intimität und Vertrauen, ohne die gute Textarbeit in der Gruppe nicht funktioniert.
Freitag und Samstag: Freunde-Hopping mit A. , B. und Mecki, immer im Ludwigs.
Freitagmittag: Treffen mit den Leuten vom Hölderlinturm; sie werden ab Dezember meine Schüler*innen-Schreibwerkstatt übernehmen und diesen tollen Jungs und Mädels, deren Schreiben ich über viele Jahre begleiten durfte, hoffentlich eine neue kreative Heimat bieten.
Einer von ihnen ist nicht nur ein begnadeter Schreiber, sondern auch ein hochtalentierter Schauspieler: Immanuel K., seit der 6. Klasse engagiertes Mitglied meiner Schreibwerkstatt und auch des LTT-Jugendtheaters. Und so ist es nur folgerichtig, dass er heute Abend in einer beachtlichen Rolle in dem Tatort Vergebung zu sehen ist. Aufregend, seinen Namen im Abspann zu entdecken. Ich gratuliere ihm direkt und wir schreiben uns eine Weile hin- und her, während ich ihn gleichzeitig im Fernsehen sehe.
Ich bin traurig, dass dieses Kapitel vorbei ist. Im Hölderlinturm haben wir am 14. Dezember noch eine Veranstaltung / Lesung mit Podiumsdiskussion, danach werde ich sie wohl nicht mehr sehen.
Heute Mittag mit A. im Kreuzberg gegessen, danach noch bei ihr zuhause Kaffee getrunken. Morgen früh kommen Handwerker wegen der Wohnungstür, dann geht’s mit prallgefülltem Gepäck wieder zurück nach Eisenach. Irgendwie brauche ich dieses Hin und Her, obwohl es mich andererseits total nervt.
Kann man zwei Heimaten gleichzeitig haben? Besser als gar keine, oder?

Frontbericht

Freitag, Eisenach. W. ist für ein paar Tage zu Besuch, Lieblings-Ex-Kollegin Mecki mit Sohn kommt zufällig auch dazu – ein gemütliches Tübinger Treffen an unserem langen Esstisch in Eisenach.

Mein neuer Job verfolgt mich in den Schlaf. Während die intellektuelle Herausforderung gegen Null tendiert, geht ein Großteil der Energie für Disziplinierungsmaßnahmen drauf. Was mir jedoch noch tausend Mal mehr nachgeht, sind die harten Schicksale, die manche Kinder von ihren Eltern aufgebürdet bekommen. Dass sie nichts lernen, liegt nicht daran, dass sie “dumm” sind (eine Zuschreibung, die ich sowieso ablehne), sondern dass ihre Köpfe randvoll sind. Randvoll mit Problemen, die sie in ihren jungen Jahren zu bewältigen haben. Abwesende, kranke, verstorbene, desinteressierte, desorientierte Väter und Mütter machen sie zu seelisch schwerverletzten, kleinen Erwachsenen, die ihre Abwehrmechanismen bereits voll drauf haben. Sie leisten ungleich viel mehr als die meist wohlbehüteten Gymnasiast*innen, mit denen ich bisher zu tun hatte.

Den heftigen Schulalltag scheinen manche Kolleg*innen nur mit innerer Abschottung zu bewältigen:
Sieh zu, dass es dir selber gut geht!, lautet der sehr schräge Tipp auf meine Frage, wie mit SuS zu verfahren sei, die kein Wort Deutsch sprechen und ihre Lebenszeit im Unterricht  auf der Bank schlafend absitzen. Sie können ihre Bewerbung, ihren Lebenslauf fürs Schülerpraktikum nicht schreiben und  sie können auch sonst nichts, weil sie unsere Sprache nicht beherrschen. Zuhause haben sie keinen PC, eine Tastatur haben sie noch nie angewendet, geschweige denn etwas von Textverarbeitung gehört. Ihnen das alles parallel zu Bewerbung und Lebenslauf beizubringen, ist mit einer Lerngruppe von 23 Jugendlichen schier unmöglich.

Außer, ich erledige es für sie. Wie im Fall von S. Aber S. ist ein besonderer Fall.

Weitere Kommentare, die ich in den letzten Tagen zu hören bekomme: Die schaffen den Abschluss sowieso nicht, lass die hinten Karten spielen. – Selber Schuld, der hat den Deutschkurs doch längst gemacht. – Gibste dem eben eine Sechs! – Und last but noch least, mit Seufzern garniert: Tja, da kommen wir an unsere Grenzen!

Hallo? Lösungen? Wie soll es mir gut gehen, wenn bei meinem Unterricht nichts rumkommt?

Tatsächlich denke ich in manchen Momenten an Aufhören. Ich halte in beiden Klassen eine kleine Brandrede. Dass ich dafür bezahlt werde, ihnen was beizubringen, von den Steuergeldern ihrer Eltern. Jeder von euch, sage ich, wird bei mir seinen Abschluss machen. Darauf habt ihr ein Recht.
Danach ist erstmal Ruhe. Sie scheinen mir das abzunehmen. Mehr als jedes Schreien und Argumentieren.

In der Pause soll ich einen Antrag auf Schulausschluss gegen den Schüler S. unterschreiben. Was hat er denn gemacht?, frage ich.

Im Internet Waffen bestellt, da wirst du ja wohl zustimmen.

Wieso löst meine Nachfrage Empörung aus? Ich unterschreibe und halte gleichzeitig daran fest, dass Waffen-Bestellen ein Alarmzeichen sei. Das Ende einer Kette von unbewältigten Erfahrungen/Misserfolgen. Das Ergebnis einer massiv verstörten Seele. Und weil ich nur Schweigen ernte und keinerlei Verständnis, setzte ich noch einen drauf: Destruktion ist die Kreativität der Ohnmächtigen!

Mit Entwicklungspsychologie, überhaupt mit Psychologie hat man es hier nicht so. Abriss der Psychoanalyse habe ich schon in der Schule gelesen, dem engagierten Relilehrer sei ewiger Dank! Während Freuds Instanzenmodell u.v.m. das westliche Denken und sein Wording unseren Wortschatz nachhaltig geprägt haben, scheinen Bildungseinrichtungen des Ostens nahezu unberührt von tiefenpsychologischen Erkenntnissen.

S. ist erst 13. Ja, er fällt auf, aber nicht unangenehm. Als sein dreitägiger Ausschluss vorbei ist, kommt er nach der Stunde zu mir: Ich werde von der ganzen Klasse gemobbt, sagt er in holprigem Deutsch.

Ich will wissen von wem, aber das bringt nichts.

Und ich nichts sehen!, sagt S. Ich bitte ihn, sich in die vorderste Reihe zu setzen und meinen Tafelaufschrieb abzulesen. Er kniept die Augen zusammen, kann gerade mal die Überschrift entziffern.

S., sage ich entsetzt, du brauchst eine Brille!

Ja, sagt er. Aber Termin bei Augenarzt nächstes Jahr. Dann ich blind!

Wir müssen beide lachen. Ich lasse mir seine Telefonnummer geben. Mein Vater lernen Deutsch, machen Deutschkurs, sagt er stolz. Auf dem Heimweg gehe ich beim Optiker vorbei und handle schon für den nächsten Tag einen Termin für einen Sehtest aus. Die Optikerin hat Verständnis für S.’s Lage – angesichts der aufgeheizten Stimmung gegenüber Geflüchteten alles andere als selbstverständlich. Ich rufe den Vater an, fünf Tage später erscheint S. mit Brille im Unterricht. Mein Lob wehrt er ab, nein, die Brille stehe ihm nicht, er mag sie (noch) nicht leiden.

Nach der Stunde gebe ich ihm einen Terminzettel vom Augenarzt. Auch dort bin vorbeigegangen, weil die meisten Praxen telefonisch nicht mehr erreichbar sind, das kenne ich schon von Tübingen.
S. freut sich über den Termin, er habe Angst vor einer Augenkrankheit, sagt er. Ich erkläre dem Klassenlehrer, dass S. sich nicht nur nicht richtig verständigen kann, sondern auch nicht richtig sieht. Jedenfalls bis jetzt nicht.

Das wäre aber nicht deine Aufgabe gewesen!, seufzt er vorwurfsvoll, als ich ihm von den beiden Terminen erzähle.

Verändere niemals die bestehenden Normen!, hat mich kürzlich jemand gewarnt: Du erreichst nichts, aber der Ärger ist vorprogrammiert.

Pädagogik funktionieren im Osten deutlich verschärfter als im Westen, aber nicht effektiver.

Lieblingsvokabeln sind Belehrung und Maßnahme. Kann man das auch Information nennen?, frage ich die Schulleitung, als ich zum zweiten Mal eine schriftliche Einladung für eine sog. Belehrung erhalte. Nein!, sagt sie irritiert. Um mich dann darüber zu informieren, wie ich mich im Falle einer Bombendrohung zu verhalten habe.

Später schreibe ich mit S. zusammen seine Bewerbung. Was hast Du denn für persönliche Stärken?, frage ich ihn.

PC-Kenntnisse, sagt er: ich programmieren Spiele.

Du spielst PC-Spiele?, versuche ich ihn zu korrigieren.

Nein, ich programmieren. Und machen Tutorials.

Waaaas? Ich diktiere ihm: Eigenständig Spiele entwickeln, Tutorials erstellen und ins Netz einstellen. Sonst noch was?

Ich verliebt in Autos.

Na, wenn das nicht der direkte Weg zu BMW ist! Gemeinsam suchen wir die Internetadresse der Personalabteilung raus. Kannst Du diesen Text jetzt als E-Mail versenden?, frage ich.

S. lächelt müde. Eine E-Mail! Wenn’s weiter nichts ist.

Nächste Stunde werde ich mein Glück bei dem syrischen Geschwisterpaar versuchen, das im Unterricht immer schläft. Im Lehrerzimmer sitzt an diesem Tag eine Frau mit Hijab. Ich frage sie, ob sie das Gespräch wohl dolmetschen könne.

Muss ich erst Schulleitung fragen, sagt sie. Eigentlich sei sie für eine andere Schülerin hier.

OH MEIN GOTT! Geheiligte Bürokratie …

 

Enthaltung

Dienstag, Eisenach. Die von der UN-Vollversammlung verabschiedete Resolution für eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen (von Jordanien eingebracht und formuliert) ist nichts anderes als ein Votum gegen Israels Recht auf Selbstverteidigung. Und Deutschland bzw. Baerbock fällt nichts Besseres ein als sich der Stimme zu enthalten.

Formulierungskrampf, fruchtlose Diskussionen, Beleidigtsein statt ein mutiges Nein – das sind wir. Peinlich. Schäbig. Cringe. Ein Schlag ins Gesicht für Israel und auch für die Angehörigen Hunderter verschleppter und ermordeter Geiseln. Auch deutscher Geiseln wie die Studentin Shani Louk, die, wie erst gestern bekannt wurde, dem Tod durch Enthauptung erlegen ist.

Einen Gewaltexzess rasend gewordener Tiere führt die Hamas der Öffentlichkeit vor, um sich bildgewaltig zugleich als Opfer darzustellen. Die deutsche Stimmenthaltung ist eine Demonstration dessen, was die Regierung von der vielzitierten Staatsraison wirklich hält. Und das historische Bewusstsein scheint im Nebel der Bilderflut und der Formulierungen zu schwinden.

Dazu passt auf erschreckende  Weise die bittere Klage der Familie von Shani Louk nach einem Treffen mit Außenministerin Baerbock in Israel: „Leider bleibt das Gefühl, dass die deutsche Außenministerin, der Botschafter und auch der Kanzler uns und alle Familien wirklich nicht unterstützt haben, die betroffenen Familien nur für ihre egoistischen Medienauftritte benutzt haben.“

Deutschland enthält sich. Wie war das nochmal mit dem Nie wieder?

Heimatbesuch

Dienstag, im Zug von Werne/Hamm nach Eisenach. Bummeln, essen gehen, Spiele machen, quatschen: Mit meiner lieben L., dem Lchen und dem Tchen verbringe ich das WE in Werne im Ickhorn. (Werne ohne Mama ist komisch und ich bin froh, dass ich nicht allein bin und wir den Ort gemeinsam mit neuem Sinn füllen können.)
Samstag Abend fährt uns meine alte Schulfreundin I. zum Bahnhof – sogar Kindersitze hat sie irgendwo aufgetrieben – und wir fahren zusammen nach Köln weiter, wo das Lchen am nächsten Tag ein Handballturnier hat. Übernachtung in L’s WG, diesmal unkompliziert. Netten, neuen Mitbewohner kennengelernt. Sonntag: Das Lchen im Tor – so süß! Und das Tchen neben mir auf der Tribüne …
Nachmittags fahre ich zurück nach Werne, abends Treffen mit I., die immer noch so wach & klug, so unaufgeregt freundlich ist wie früher. Bei gutem Essen sich austauschen und fast gar nicht in alten Zeiten schwelgen –  die neuen geben genug für uns her!
Spontan verlängere ich mein Zimmer bis Dienstag. In Werne, wo meine Eltern lange Zeit gelebt haben und gestorben sind, bin ich auch irgendwie zuhause. Aber meine wirkliche Heimatstadt ist Kamen. Eine Stunde an diesem WE nehme ich mir Zeit und laufe durch die schmerzhaft vertrauten Straßen, am Koppelteich vorbei, den es nicht mehr gibt, und da, wo meine Grundschule stand, die Martin-Luther-Schule, steht jetzt ein Seniorenheim.
Der Gang durch Kamen deprimiert mich: Ein dreckiges Nest ohne jeden Charme, Kneipen und Cafés verschlossen und vernagelt, die Geschäfte aufgegeben oder zu 1-Euro-Läden degradiert. Wie die meisten Städte im
Ruhrgebiet ist auch diese fucking runtergerockt.
Doch dann die Straße, meine Straße mit dem großen Baum in der Mitte des Rondells, und hinter Birke und Tanne unser altes, weißes Haus, so schön wie eh und je: In der Aue 1, da ist meine Kindheit.

Heute am frühen Morgen wird direkt unter meinem Hotelfenster der Wochenmarkt aufgebaut.
Schönes Frühstück, Koffer packten, auf Wiedersehen. Auf dem Weg zum Hammer Bahnhof kracht I. gegen einen Pfosten. Blechschaden am Heck, und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil sie nur wegen mir gefahren ist.
Ich komme wieder, aber jetzt geht es erstmal zurück nach Eisenach. Morgen muss ich arbeiten, und irgendwie freue ich mich sogar darauf.


Werne, Marktplatz, vom Ickhorn aus

“Ukraine-Müdigkeit” …

… attestiert die ehemalige Nato-Strategin Dr. Stefanie Babst dem Westen angesichts der Lage in Nahost und der Ukraine (im Pioneer-Podcast mit Chelsea Spieker)
Wie lange und wie umfangreich kann / will der Westen seine Unterstützung noch aufrechterhalten? Dr. Babst’s Antwort:
“Ich habe eigentlich auf den Moment gewartet, wo der westliche Unterstützungsmotor irgendwann anfängt zu stottern. Und ich fürchte, wir haben diesen Punkt nun fast erreicht. …
Es gibt in vielen Unterstützer-Staaten eine deutliche Ukraine-Müdigkeit. Es gibt im US-Kongress immer mehr Stimmen, die eigentlich sogar die gesamte militärische Unterstützung für die Ukraine aufheben wollen. Dazu kommt jetzt noch ein zweiter großer Kriegsschauplatz in Nahost.“
Hätte man diesen Punkt nicht viel eher haben können? Tausenden Gefallenen/Getöteten auf beiden Seiten hätte der Verzicht auf Einmischung und Aufrüstung das Leben gerettet.

Keine Meinung

Der deutsche Judenhass (Antisemitismus klingt mir im aktuellen Kontext zu verquirlt rhetorisch) ist auf dem Vormarsch. Nicht nur auf den Straßen in Gestalt arabischer Migrant*innen, sondern auch in den Medien. Jetzt hat er es sogar auf die Buchmesse geschafft: Ein slowenischer Philosoph namens Slavoy Zizek verteidigt in eine Rede die Palästinenser und sorgt für Tumult.
Ich verabschiede mich von allen Relativierern, deren klammheimliche Freude so offensichtlich hinter ihren Worten aufblitzt. Judenhass ist keine Meinung, sondern ein Emotion. Eine, die seltsamerweise bei vielen als progressiv gilt. Und deshalb seiner kritischen Überprüfung entkommt.
Ohne mich! Adieu!

33 Kleingeister

Mittwoch, Eisenach. Eine Woche vor Beginn des Literarischen Herbstes in Leipzig haben 33 kleingeistige Autor*innen und Künstler*innen die ABSAGE einer Veranstaltung mit Alice Schwarzer gefordert. Sie unterstellen Schwarzer transfeindliche, rassistische, mysogyne Absichten.

Wie wackelig muss das Standing dieser 33 sein, dass sie andere Meinungen zu hören nicht ertragen! Was genau da anders ist, würde mich übrigens mal interessieren. Schwarzer prangert das neue Gesetz an, nach dem Jugendliche ab 14 Jahren OHNE Einwilligung der Eltern ihr Geschlecht ändern dürfen. Die Gender-Industrie, konkret: die auf entsprechende Operationen spezialisierten Kliniken und die Pharma-Industrie, reiben sich schon die Hände. Eine operative Geschlechtsumwandlung bedeutet nämlich die LEBENSLANGE Einnahme von Medikamenten …

Schwarzer hat vollkommen recht, und wer das nicht kapiert, hat sich weit entfernt von feministischer, demokratischer, freiheitlicher Denkart. Und sollte vielleicht mal kritisch hinterfragen, wieso dieses Gesetz so blitzschnell durchgepowert wurde! Betrifft es faktisch doch nur eine recht überschaubare Gruppe. Aber mit der entsprechenden Propaganda* verspricht diese Gruppe durchaus zu wachsen. Wie die Betroffenen später mit ihrer Entscheidung fertigwerden, das interessiert NIEMANDEN!

Folge der Spur des Geldes …

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*z.B. Anweisung in den Oberstufen-Lehrplänen im Fach Englisch, die Gender- und Transdebatte (Pflichtthema!) mit positiver Akzeptanz zu führen!

Rechter Treibsand

Freitag, Kiel. Mich selbst positioniere ich als linke Feministin, Demokratin, Antifaschistin.
Aufgrund meiner politischen Sozialisation bin ich daran gewöhnt, zu diskutieren, Kontroverses auszutauschen, gegebenenfalls zu verwerfen oder zu übernehmen, aufzuklären und sich aufklären zu lassen.
Heute treiben Menschen, Medien, Politiker*innen alles nach rechts, was nicht bei drei auf den Bäumen sitzt. Jeder wird als Nazi geframt, der eine von elitären Denkfabriken vorgegebene Politik nicht mittragen mag. Die Grünen mit ihrer 180-Grad-Wende in Sachen Pazifismus zum Bellizismus sind das verblüffendste Beispiel. Ihre krude Masche macht vor unser aller Augen eine Minderheit (AfD) zur Mehrheit, und das Ende mag ich mir nicht ausmalen. Die Nazikeule bewirkt nämlich das genaue Gegenteil dessen, was sie vorgibt bewirken zu wollen.
Liebe und weniger liebe Politiker*innen, Journalist*innen, Mitmenschen: fangt endlich an kritische Geister zu gewinnen statt sie durch Polemisierung und Framing wegzutreiben. Nach rechts, wo die meisten von ihnen gar nicht stehen wollen …